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Wenn die Schulfreundin heiratet

Bedenkenlos öffnen Sie Ihren Briefkasten und was Ihnen dort entgegen flattert, lässt Ihnen für eine winzige Sekunde den Atem stocken: Ihre damalige Schulfreundin heiratet. Und hat Sie eingeladen. Ihre erste offizielle Hochzeitseinladung.

Es fühlt sich ein bisschen süßsauer an, diese unverhoffte Einladung. Ausgerechnet die Susi heiratet, die früher Hardpunkrock gehört, Kette geraucht und gepredigt hat, sie würde Vorgarten und Provinzhäuschen spießig und blöde finden. Und jetzt das. Während Sie selber gerade eine abgestandene Beziehung beendet und sich mit einem Mann liiert haben, mit dem alles irgendwie nur lauwarm schmeckt, wenn Sie ehrlich sind. Ein Kompromiss zweier Menschen, die irgendwie sonst nicht wissen, wohin mit ihren unerfüllten Sehnsüchten.

Aber das ist ja auch okay so, immerhin weiß Peer, dass es nicht für immer ist. Zumindest war es bis eben gerade noch okay. Man ist ja noch jung. Die große Liebe hat noch Zeit und hielt sich bis dato in Sülzromanen bzw. Kitschromanzen aus Hollywood versteckt. Zum Angucken und schon mal ausprobieren. In echt aber sind wir ja noch gar nicht gewillt, unsere Freiheit für Mr. Right aufzugeben. In echt reicht die Mikrowellen-aufgewärmten-Affäre mit Peer, dessen Socken wir häßlich finden und der sowieso nie Zeit für uns hat. Wahrscheinlich weil er Bärbel und Tatjana noch in seinem Terminkalender unter bringen muss.

Aber jetzt liegt da diese Einladung auf dem Küchentisch, wie ein rotes Warnsignal, welches uns höhnisch grinsend eine kalte Gänsehaut über den Rücken kriechen lässt. Brrr. Susi heiratet nicht einfach nur – nein, sie ist auch noch schwanger. Und hat natürlich einen Mann gefunden, der unaufhörlich mit seinem glücklichen Zahnpastalächeln um sich wirft, und ihr mal eben ein Traumhaus baut. Natürlich am perlenfarbenen Ozean. Ist klar. Und wir? Wir studieren zum dritten mal. Ernährungswissenschaften oder so etwas. Eigentlich wollten wir mal Meeresbiologin werden, aber mittlerweile wäre ein gut bezahlter Job schon ganz nett. Irgendein Job mit Perspektive wäre schon nett. Unsere winzige Großstadtwohnung, die dringend einmal aufgeräumt und geputzt werden müsste – hat nicht einmal richtige Gardinenstangen an den Fenstern, nein, die Gardinen haben wir mit einer unprofessionellen Tackermaschine festgezurrt, die wir uns vom Nachbarn geliehen haben, der Medizin studiert und dieses Ding zu ,,Forschungsarbeiten“ mal mit nach Hause gebracht hat. Keine guten Voraussetzungen, um Mr. Right mit unseren lieblichen Hausfrauenattitüden zu beeindrucken. Kein Wunder, dass Peer immer schon die Flucht ergreift, wenn wir nur selbst gebackene Muffins anbieten wollen. Denn eigentlich ist die Mikrowelle – nach der Kaffeemaschine natürlich – unser bester Freund.

Und mein Artikel heute trieft nur so von Vourteilen 😉 … denn dabei vergessen wir natürlich eines: dass auch Susi nicht das perfekte Vorzeigemädchen ist. Dass das niemand von uns ist. Dass es keinen Grund gibt, um Torschlusspanik zu empfinden, die uns nichts außer grauen Haaren beschert. Stattdessen sollten wir uns freuen, dass Susi endlich bereit ist, sich festnageln zu lassen. Liebeslänglich, sozusagen!
Wir sollten einfach weise dazu lächeln und wissen, dass wir noch unsere Freiheit in vollen Zügen genießen können, bis er dann da ist, der Mr. Right, der sicherlich auch seine häßlichen Marotten wie Stiefeldreck mit in die Wohnung schleppen wird – und das, ohne sich die Stiefel vorher an der Fußmatte abzutreten. Die Einladung sollten wir lieber als das verstehen, was sie auch tatsächlich ist: Die Aufforderung, endlich mal wieder ausgiebig shoppen zu gehen, man will ja nicht im abgetragenen Kleid auf der sicherlich großartigen Party erscheinen. Das wäre unhöflich 😉 !

Helena