Brutale Computerspiele und ihre Auswirkungen auf Kinder
Wann immer es erneute Gräueltaten von Kindern ausgehend in den Nachrichten gibt, wird wie wild nach brutalen Computerspielen in den Kinderzimmern der Betroffenen gesucht, um Gründe für das Verhalten zu finden. Aber welchen Einfluss haben sie wirklich auf die Kinder?
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Eine jüngste Studie von Maria von Salisch, Jens Vogelsang, Astrid Kristen und Caroline Oppl hat es bestätigt, junge Kinder im Alter von 8-12 Jahren, die ein aggressives Verhalten an den Tag legen, bevorzugen auch in der Netzwelt brutalere Computerspiele. Aber – und hier sollten Eltern genau hinhören – der Umkehrschluss wurde in diesem Alter nicht bestätigt, es wurden keine Ursachen dieses Verhaltens in den Spielen gefunden, sondern nur Anzeichen für eine Neigung zu Gewalttätigkeit.
Ursachen und Zusammenhänge klar verstehen
So kann die Auswahl der Spiele (bedingt) Aufschluss geben, was das Kind bevorzugt, sollte aber nicht übertrieben interpretiert werden. Die Wissenschaftler dieser Studie schlossen es zwar nicht aus, dass brutale Computerspiel eventuell Auswirkungen auf die spätere Entwicklung haben könnten, hatten dafür aber keine Beweise.
Viele Studien, die sich für den Zusammenhang zwischen Brutalität im wahren Leben und in Computerspielen aussprechen, sind alt, schlecht ausgeführt oder schlichtweg ausgedacht, denn noch fehlt es größtenteils an korrekt ausgeführten Langzeitstudien, um die Effekte von Computerspielen auf Kinder und Teenager komplett zu erforschen.
Grand Theft Childhood – Über Kinder und Computerspiele
Was jedoch bis jetzt schon erreicht werden konnte, etwa durch Lawrence Kutner und Cheryl K. Olson in ihrem Buch „Grand Theft Childhood“, ist die Realisierung, dass – wie auch die oben genannte Studie – ein genaues Hinschauen auf die Spielmentalität des Kindes Rückschluss auf seinen Charakter geben kann, wenn man nur genau hinsieht und nicht jede Vorliebe für Gangsterspiele als Hang zur Kriminalität gedeutet wird.
Kinder spielen anders als Erwachsene, haben auch ein anderes Verhalten den Spielen gegenüber, so dass ein wenig „Spielsucht“ eigentlich ganz normal ist, da Kinder erst noch lernen müssen, sich zu kontrollieren. Wer hier als Elternteil aufpasst, nicht zu einschränkend verbietet, aber durchspielte Nächte nicht zum Dauerzustand werden lässt, kann mehr helfen, als wenn der Computer komplett entfernt wird.
Auch die Art und Weise, wie Kinder Computerspiele, auch die Brutalen, wahr nehmen, sollte man sich vor Augen halten, Kinder durchlaufen viele Phasen, wechseln so Genres und Spielarten, bis sie ihre Favoriten gefunden haben. Eine Halo-Phase ist also nur halb so schlimm und selbst wenn sie bestehen bleibt, sollte man sich die Haare nicht ausraufen. Denn Kinder erkennen, dass es sich um Fiktion handelt, genauso, wie sie wissen, dass Tom und Jerry nur Zeichentrickfiguren sind, deren Späße im wahren Leben harsche Konsequenzen hätten. Wichtig ist, dass man besonders Umgangssprache und Stereotype in Computerspielen mit dem Kind bespricht, da zu den wenigen negativen Erkenntnissen Kutners Studie ein erhöhter Hang zu Mobbing und kleineren Prügelein gehörten, allerdings keine größeren Gewaltakte.
Massenmorde und Amoklauf durch Computerspiele?
Selbst wenn man immer wieder brutale Spiele in den Zimmern von Amokläufen findet (beziehungsweise die überraschend geringe Nummer dieser Funde so hochgespielt wird, als wäre es immer und überall der Fall), den Medienwahn sollte man mit Vorsicht genießen, denn auch hier sind sie selten Ursache (ebenso wenig wie Rockmusik), sondern einfach nur Begleiterscheinungen, wenn überhaupt. In den meisten Fällen ergaben psychologische Gutachten, dass die Täter auch vorher schon klinisch depressiv oder anderweitig psychologisch krank waren, Polizeiberichte bewiesen außerdem, dass die meisten Amokläufer keine Verbindung zu Computerspielen hatten. Die Jungs vom Columbine Massaker beispielsweise waren beide schon vorher auffällig gewesen, tatsächlich wurde das vom Gericht verordnete Antidepressivum Luvox im Blut eines der Jungen gefunden, psychologische Gutachten besagten weiterhin, dass einer von ihnen narzistisch-sadistische Züge hatte, die sicher nicht von Computerspielen stammten.
Mehr Computerspiele, mehr Gewalt?
In den USA, so Kutner und Olson, sei die Anzahl der Gewalttaten durch Jugendliche sogar entgegengesetzt zu ihrer Computernutzung verlaufen, so sank sie seit 1993, einer Zeit, in der die ersten großen Konsolen auf den Markt kamen. Das soll natürlich kein faktischer Beweis dafür sein, dass Computerspiele alles besser machen, aber es zeigt offensichtlich, dass Zufall und Zusammenhang zweierlei Dinge sind und dass man – nur weil die Medien es so darstellen, als gäbe es mehr Gewalt durch Spiele – die Fakten niemals außer Acht lassen sollte.
Computerspiele sind auch sozial Komponenten, denn was auf dem Schulhof besprochen wird, kann schnell diejenigen, die nicht mitsprechen können, zu Außenseitern machen. Natürlich muss das Kind nicht alles mitmachen, was gerade ‚In‘ ist, aber ihm völlig Spiele zu verweigern, die gerade im Trend sind, kann auch sozial abgrenzen.
Was viele Eltern missverstehen, ist die Möglichkeit, bei brutalen Computerspielen Frust abzubauen. Da die Kinder genau wissen, dass sie in einem fiktiven Universum spielen, ist es ein guter Ausgleich, mit tagtäglichen Problemen klar zu kommen, teilweise auch mit sehr emotionalen Momenten, so dass sie – wurden erst einmal ein paar Zombies gekillt – das Problem etwas objektiver behandeln konnten. Wichtig ist, dass die Kinder gleichzeitig in der Lage sind, mit den Eltern über diese Probleme zu reden, so dass die Spiele als Stressbewältiger gelten, aber nicht als Heilmittel.
Worauf Sie achten können:
– Anstatt sich von Zeitungen und dem FSK sagen zu lassen, welche Spiele geeignet sind und welche nicht, sollten sie sich selbst ein Bild von den Spielen machen, es gibt sehr wohl als gefährlich angesehene Spiele, die es einem Jugendlichen ermöglichen, gewaltfrei durch die Story zu kommen, sogar Punkte zu bekommen, wenn Gewalt im Spiel verhindert wurde. Recherchieren Sie gründlich, bevor Sie wahllos Spiele kaufen oder verbieten und seien Sie nicht zu streng, was den Verbot von Spielen angeht (wir wissen, was verboten ist, erscheint noch interessanter). Spielen Sie doch selbst das Spiel, bevor Ihr Kind an den Computer darf, dann können Sie sich ein Bild aus erster Hand machen.
– Konzentrieren Sie sich nicht nur auf die Spiele, sondern auf das Verhalten des Kindes, wenn etwas nicht stimmt, ist es unmöglich nur den Computerspielen zu Schulden zu kommen, sondern vielmehr einer großen Anzahl an Gründen.
– Reden Sie mit Ihrem Kind, so erfahren Sie schnell, wie es Realität und Fiktion versteht, wie die Spiele wirken und ob es negative Auswirkungen gibt oder nicht.
– Regeln Sie die Zeiten, wann und wie oft Ihr Kind spielt. Seien Sie dabei realistisch (eine Viertelstunde etwa ist so gut wie nichts und bringt mehr Ärger, als Harmonie). Achten Sie dann darauf, dass diese Zeiten auch eingehalten werden, bei Überziehung reden Sie nicht gleich von Verboten, sondern handeln Sie mit dem Kind einen Zeitplan aus, mit dem Sie beide einverstanden sind.
„Grand Theft Childhood“ kann man derzeit leider nur im englischen Original vom Schuster Verlag erwerben, aber es ist jedem zu empfehlen, der ein objektives Bild über den aktuellen Forschungsstand über Computerspiele und Kinder haben möchte.