Wann braucht ein Kind eine Therapie?
Stolpern, stottern, zappeln: jedes zweite Schulkind in Deutschland verfügt bereits über Erfahrungen mit dem breiten Spektrum an Behandlungsmethoden, sei es die Physio-, Psycho- oder Sprachtherapie. Doch nicht alle Auffälligkeiten müssen therapiert werden, sondern erweisen sich als natürliche Entwicklungsprozesse kleiner individueller Persönlichkeiten. Oft richtet zu schnelles Eingreifen daher sogar Schaden an. Eltern sollten das Heranreifen ihrer Sprösslinge also sorgsam, aber nicht zu sorgenvoll betrachten.
Besonders im Zeitraum der Einschulung bekommen auffallend viele Kinder Therapien verordnet – die Eltern fürchten ein Zurückbleiben im Unterricht oder soziale Probleme. Allerdings warnen Experten nun vor Übereifer: in den meisten Fällen braucht ein auffälliges Kind keinen Therapeuten, sondern einen Menschen, der es fördert und fordert. Kleinkinder, die von ihren Eltern in alltägliche Arbeiten wie Tischdecken motivierend einbezogen werden, haben später weniger motorische Probleme. Auch kreative Tätigkeiten wie Malen oder Basteln zusammen mit den Eltern oder einer Vertrauensperson stärken nicht nur die Fingerfertigkeiten, sondern auch die Selbstsicherheit der Heranwachsenden. Im Gegensatz dazu kann der voreilige Gang zum Therapeuten den inneren Reifungsprozess sogar hemmen, da beim Kind schnell das Gefühl entsteht, etwas an ihm sei falsch. Für die meisten typischen kindlichen Probleme gibt es eine Vielzahl möglicher Ursachen. So können etwa motorische Unsicherheiten wie häufiges Stolpern nicht nur auf Wahrnehmungsstörungen und mangelndes Raumgefühl hindeuten. Auch einfache medizinische Gründe wie Sehfehler oder ein aus möglichem Übergewicht hervorgehendes Schamgefühl kommen in Frage. Im Zweifelsfall gilt es, zusammen mit dem Kinderarzt genauer hinzuschauen. Ein wichtiges Kriterium zu Bewertung auffälliger Verhaltensweisen ist die Zeit: Viele Auffälligkeiten sind vorübergehende Begleiterscheinungen einer normalen Entwicklung. Vor dem fünften Lebensjahr gehören beispielsweise Lispeln und Stottern zum Erlernen der Sprache. Erst wenn Sprachfehler, spezielle Ängste oder andere Auffälligkeiten über mehrere Monate kontinuierlich auftreten oder sich sogar verstärken, sollten Eltern sich Rat holen und eine Therapie in Erwägung ziehen (Infos zur Kinder-und Jugendtherapie gibt es auch hier). Eltern wollen das Beste für ihre Sprösslinge. Es sollte allerdings nicht im Fokus stehen, das Kind zu optimieren, sondern in erster Linie die Erziehung. Ob bei der Förderung von kleinen Couchpotatoes, Stress durch Überforderung in der Schule oder das Eingehen auf Ängste: vermitteln Sie Ihrem Kind stets Sicherheit und schenken Sie ihm Aufmerksamkeit. Auch Eltern können lernen, gezielt und mit der richtigen Art von Verständnis auf ihren Nachwuchs einzugehen. Fotografie von: Susanne Güttler – FotoliaMehr Schaden als Nutzen: zu leichtfertige Therapieverordnungen
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Auf die Erziehung kommt es an